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Hans Thie
Rotes Grün
Pioniere und Prinzipien einer ökologischen Gesellschaft
Atomkraft und Kohlestrom sind Geschichte. Sonne, Wind, neue Speicher und intelligente Netze schaffen es allein. In den Innenstädten gibt es kaum noch Autos. Bahnen und Busse fahren öffentlich finanziert und Taxis zum Super-Spar-Tarif. Mit dem Flugzeug zu fliegen und Fleisch zu essen, ist uncool geworden. Die Industrie macht Dinge, die jahrelang halten und leicht zu reparieren sind. Werbung und Mode sterben dahin, kaum jemand regt sich auf. Alles Falsche schrumpft mit hohem Tempo. Und die Wirtschaft, die früher nur mit permanentem Wachstum funktionierte, bricht nicht zusammen.
Die Bürgerschaft hat sich anders entschieden, ihr Leben selbst in die Hand genommen. Arbeitslos ist niemand mehr, der Sechs-Stunden-Tag die neue Norm. Weniger Arbeit heißt mehr Freiheit. So soll es sein. Aktienkurse sind unbekannt, Hedgefonds nur noch ein Kapitel der Kriminalgeschichte. Unternehmen gehören den Produzenten. Wem denn sonst, fragt man sich. Wissen und Kultur gelten weltweit als öffentliches Gut, der Geist ist frei. Vor Ort sorgt die Kommune für ein gutes Leben. Alles Öffentliche ist kompromisslos öffentlich geworden. Für wichtige Themen gibt es stets den Volksentscheid.
Ist eine solche Wandlung hin zur Vernunft, zur Mäßigung, zum in jeder Hinsicht gleichen Recht möglich? Scheinbar eine naive Frage, denn diese Wandlung ist eine Revolution. Zur Umwälzung aber neigen reiche Gesellschaften nicht. Große Veränderungen waren bislang immer das Resultat schreiender Ungerechtigkeit und klarer Fronten zwischen Herrschern und Beherrschten.
Diesen Grund zur Revolte gibt es in Ländern wie Deutschland – allen Ungerechtigkeiten zum Trotz – gegenwärtig kaum. Dennoch reift bei all denjenigen, die sich etwas intensiver mit den globalen ökologischen Gefährdungen beschäftigen, die Einsicht: »Wir« brauchen genau das, eine umfassende Transformation unserer Produktionsweise. »Wir« müssen uns von den Zwängen einer naturzerstörenden Ökonomie befreien.
Aber wie soll das gehen? Wie werden Wirtschaft und Gesellschaft nicht nur in Worten, sondern auch in Taten, nicht nur im Design, sondern auch in der Substanz, nicht nur im Einzelnen, sondern auch systematisch naturverträglich? Mehr grüne Technik und mehr ökologische Moral – das sind die beiden Antworten, die ständig zu hören sind, aber allzu bescheiden bleiben. Wenn die Weltgesellschaft ökologisch zu scheitern droht, dann kann ihre zentrale Ursache, die heutige Wirtschaftsordnung, nicht heilig sein.
Die große Preisfrage ist also, ob es Signale der Hoffnung gibt, die sich wechselseitig verstärken und eine andere Art wirtschaftlicher Entwicklung ergeben könnten. Tatsächlich passiert einiges: Kooperation, Gleichheit und Planung sind im Begriff, neue Leitprinzipien zu werden. In der dinglichen und geistigen Produktion sind Tendenzen aufzuspüren, die zu diesen Leitprinzipien passen, wenn man sie aus ihrer profitwirtschaftlichen Umklammerung befreit. Wer sucht, der findet stille Revolutionen an vielen Orten.
Diese Signale der Hoffnung lassen sich zu einem neuen Modell einer grünen und gerechten Wirtschaft verbinden. Vor dem geistigen Auge erscheint dann eine vom Willen des Gemeinwesens gelenkte, vom Wachstumszwang befreite, durchgehend ökologische Wirtschaft, die das Thema soziale Sicherheit nicht mehr kennt, weil sie Freiheit in Gleichheit verwirklicht.
Die Utopie, die darin liegt, ist keine Willkür, wenn man sich vorstellt, dass die Bevölkerung nicht nur Parteien, Kandidatinnen und Kandidaten, sondern die Grundstrukturen von Wirtschaft und Gesellschaft zu wählen hat und der Mehrheitswille verbindlich ist. Die Demokratie gilt. Der Souverän ist souverän. Das ist der Sprung, der nötig und möglich ist.