Kommentar: Nicht bei Mannesmann stehen bleiben
Jahrelang sind die Schotten dicht. Nichts dringt nach außen. Die „Gesellschaft für neue Sanierungskonzepte“ (GNS) schließt 1995 mit der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Kanzler Kohl, einen wahrhaften Jahrhundertvertrag. „Um den Investitionsstandort Deutschland zu stärken und um gleichzeitig die Zinslast der Bundesschulden mit modernen Refinanzierungsinstrumenten zu senken“, so die offizielle Zielsetzung des Deals, seien Fonds aufzulegen, um mit einer Mischung aus privatem und öffentlichem Geld auf den internationalen Kapitalmärkten zu agieren. Laufzeit des Vertrages: 30 Jahre. Der Clou: Alle Geschäfte der GNS und sämtliche Fonds sind bis 2025 zu 100 Prozent vom Staat besichert. Der Verkauf der Anteile läuft phantastisch, die GNS wird zum Global Player. Und der besondere Witz: Sämtliche Insider, nicht nur Kohl, Schäuble und Waigel, sondern auch die eingeweihten Schröder und Lafontaine und nicht zuletzt die Bankvorstände der Republik, genießen Vorzugsbedingungen, wenn sie sich privat beteiligen. Die Lücken, die der Kollaps des Aktienmarktes zwischenzeitlich reißt, werden immer wieder mit Mitteln aus der Bundeskasse und mit frischem Geld aus neuen Fonds gestopft. So bleibt die Rendite stabil, und das Schweigen hält an. Dass dieses wundersame Kartenhaus irgendwann zusammenbrechen muss, ist klar, aber für die Beteiligten keine Gefahr. Denn die GNS bewegt sich im Rahmen der Legalität, und jetzt – die Fakten liegen endlich auf dem Tisch und man erwartet ein Erdbeben für die gesamte politische Klasse – wird, als ob nichts Dramatisches geschehen wäre, ein neues, ein passendes, ein GNS-Gesetz gemacht. „Im Bedarfsfall“, so der mit überwältigender Mehrheit gefasste Beschluss des Deutschen Bundestages, „ist die Gesellschaft für neue Sanierungskonzepte mit bis zu 250 Milliarden Euro abzusichern.“
Dass einzelne Politiker und Manager gierig sind, dass sie zufassen, wenn sich Gelegenheiten bieten, wird niemand bezweifeln. Und wenn merkwürdige Vorgänge, wie im Falle Esser, Ackermann und Zwickel, vor Gericht landen, mag man das kleine Stück Rechtsgleichheit begrüßen. Sollten deutsche Richter und Staatsanwälte sich tatsächlich emanzipieren, dann dürften bald weitere Verfahren folgen. Besonders auf den Komplex WestLB/Preussag/TUI/ Babcock mit Düsseldorf und Hannover als wichtigsten, sozialdemokratisch gewürzten Tatorten darf man gespannt sein. Aber was ist mit der Bereicherung à la GNS, die nicht von einigen wenigen, sondern vom gesamten Establishment genutzt wurde? Auch wenn diese Geschichte eine freie Erfindung ist – Realität ist sie dennoch, wenn man den Berliner Bankenskandal in leichter Verwandlung auf das ganze Land überträgt. So grotesk die Mannesmann-Prämien auch sein mögen, entscheidend bleibt der Fall Berlin. Denn hier stehen alle im Zwielicht, die Politik (inklusive PDS), die Justiz und nicht zuletzt die Gesetze selbst, die dafür sorgen, dass die Spekulanten besser gepflegt werden als Schulen und Kitas.