Wenn die Egalität in Bewegung kommt, beginnt die posttraumatische Ökonomie

Hummer für alle. Fröhliches Kollektiv. Überall Reichtum und Harmonie. Nein, so ist sie nicht, die neue Ökonomie. Sie ist bisweilen immer noch lästig, aber durchaus keine Last. Es gibt noch Kaufhäuser, Behörden und Fabriken, wohl auch Werbung, Geld und Banken. Aber nichts ist völlig gleich geblieben. Vor allem die Menschen sind im Wesen weicher. Nicht so hastig und bedrängt. Weniger Hochmut und Demutsgesten. Kaum noch Verachtung und blinder Zorn. Als wäre ihnen Freundlichkeit injiziert.

„Was Euch befremdet, hat mit Drogen nichts zu tun. Und Yoga für alle ist das Geheimnis nicht. Die Weichspüler sind ganz anderer Art. Sehr einfach und doch revolutionär. Wirkstoffe im institutionellen Arrangement.“ Unsere Gastgeber vom Rat für empirische Prinzipienforschung nennen Namen wie aus Harry Potters Zauberschloss. Und so beginnt das Gleichnis vom horizontalen Fahrstuhl mit drei Stationen.

Die erste heißt Skanergia. Hier bestimmt die Bürgerschaft, was sie will und wie sie es will. Zum Beispiel Schulen fürs Empowerment. Oder: Stadt und Land ohne CO2. Das Prinzip heißt Sozialismus grün und regional. Was unmittelbare Zuwendung verlangt wie die Kleinen und die Alten, was elementar und lebenswichtig ist wie Gesundheit und Energie, ist allein der Provinzen Privileg. Hier regieren der Bedarf und das ehrgeizige Verlangen. Auch die Effizienz kommt nicht zu kurz. Denn alles Öffentliche ist öffentlich geworden. Kompromisslos, ohne Ansehen der Person. Im Trüben fischt kein Bürokrat, alle Vermerke stehen im Netz, und der Verschwender schnell am Pranger. Unerbittlich zeigen die Quartalszahlen des interprovinziellen Wettbewerbs, wer mit welchen Mitteln ein gutes Leben organisiert. Für ausnahmslos alle, wenn’s irgendwie geht. Skanergia – das ist Egalität in Bewegung, verlässliche Freiheit nicht minder.

Spöttisch der Name der zweiten Station: Domestocapo. Hier ist sie am deutlichsten spürbar, die alte Zeit. Fabrikation, Bau, Handel und Kundendienst – alles Bekannte ist am Platz. Privat wie eh und je. Mit Lohn, Preis und Profit. Doch dem Tiger von einst sind die Reißzähne gezogen. Leistungslos ist kein Einkommen mehr. Horrende Renditen unbekannt. Die Erträge fließen allen zu, die mit Hirn und Hand dabei gewesen sind. Auch der Markt, der Anarchist vergangener Tage, hat seinen Leichtsinn längst verloren. Wer etwas will, kommuniziert. Früh genug für fremder Menschen Plan. So wird’s ein System bestellter Ware. Stockt der Fluss, ist’s kein Malheur. Wo keine Order, da kein Tun. Für niemanden muss das Kummer sein. Denn im Fall der Fälle steht Skanergia stets bereit. Aufzunehmen all jene, die das geschäftliche Treiben nicht mehr braucht, die im Dienste der Provinzen ihren Sinn nun finden. Oder nach Geistigem lustvoll streben.

Ihr Ziel heißt dann Freementalli, die dritte, bunt bevölkerte Station. Hier sind Wissenschaft und Kultur zu Hause, Information, Programm und Kunst. Hier ist alles frei, zugänglich und kostenlos. Mensch trifft Menschheit, verlangt für seine Werke keinen Preis. Archaisch rein und schrankenlos global herrscht Anerkenntnis als Leitmotiv. Wer viel gibt, wird mit Prestige entgolten. Wer in der ganzen Welt sein Publikum findet, genießt Respekt universal. Die Gesamtheit der Provinzen kommt für die Welt des Geistes auf. Sie stellt das technische Gerüst und investiert im eigenen Interesse. Sie zahlt den Schöpfern ein Stipendium. Je nach Leistung, jahrelang. Und die Weltverbesserungsprämie für das Meisterwerk.

So präsentiert sich die posttraumatische Wirtschaft in dreifacher Gestalt. Nicht im romantischen Einerlei, nicht im naiven Glauben an ein einziges Prinzip. Vielmehr als wechselseitige Befruchtung von Sorge, Produktion und Geist. Weshalb das so sein muss, erklärt uns der Rat: „Jede Station hat unabdingbar, unhintergehbar ihr Eigenleben. Was sie gedeihen lässt, welche Sanktionen und Gratifikationen, welche gesellschaftlichen Wirkstoffe die richtigen sind, das herauszufinden, ist die entscheidende geschichtliche Tat. Alles Entfremdete, alles Systemische zu beseitigen oder es heimzuholen in die eigene bornierte Lebenswelt, das war die Dummheit unserer jungen Rebellen. Weit sind sie nicht gekommen, und danach haben wir gemeinsam Vergangenheit und Gegenwart geplündert. Wir glaubten es nicht, aber genau so war es. Alles, was wir brauchten, war schon da.“

erschienen im >Freitag>   12.03.2009