Kommentar: Um jeden Preis die Reallöhne senken
Krieg, ich brauche einen Krieg, hätte Gerhard Schröder von seinem Stab längst verlangt, wenn er Präsident der Vereinigten Staaten wäre. Genau so wie George, unberührt von Moral und Skrupeln, aber eleganter und geschmeidiger, hätte er seinem Volk die Aggression verkauft, um von den Fehlschlägen an der Heimatfront abzulenken. Gerhard, Gerry, wäre ohne Zweifel der überzeugendere Präsident.
Nun teilt die Politik in einem Punkt noch immer das Schicksal des gemeinen Volkes. Sie ist an die Nation gebunden, kann nicht grenzenlos vagabundieren. Und so muss sich Schröder mit Dingen herumschlagen, die er nicht mag und nicht beherrscht. Entsetzlich komplizierte Sozial-, Steuer- und Arbeitsmarktsysteme – um all das zu bewältigen, wäre ein Kanzler vonnöten, der sich nicht aufs Marketing beschränkt, sondern eine Richtung vorgibt und das schlichte Handwerk nicht scheut. Schröder aber überlässt alles – bis auf die Show – seinen Bürokraten und Experten, die, wie könnte es anders sein, durchaus interessante Ideen, vor allem aber Schnapsideen produzieren. Und so wird die Liste der Flops immer länger. Riester-Rente: keiner versteht sie, kaum einer will sie. Personal-Service-Agenturen: Millionen investiert, aber niemand nimmt die staatlich organisierten Leiharbeiter. Job-Floater: Verbilligte Darlehen sind den Unternehmen willkommen, werden aber selten für echte Neueinstellungen genutzt. Gesundheitsreform: Freie Fahrt für kostentreibende Kartelle und Verbände. Ganz zu schweigen von den fünf Millionen, die im kommenden Winter arbeitslos sein werden, auch wenn die Nürnberger Statistik das zu beschönigen weiß.
Total versagt? Wer möchte diesem Fazit noch widersprechen? Aber ist das offiziell Gesagte auch das tatsächlich Gemeinte? Vielleicht ist die Bundesregierung an einer eher verborgenen Agenda der Deutschland AG zu messen. So würde jedenfalls Schröder in einem ganz anderen Licht erscheinen und auf einer Welle des Erfolgs reiten. Denn eine solche flächendeckende Reallohnsenkung, wie wir sie jetzt erleben und worauf all die Zuzahlungen und Zumutbarkeiten hinauslaufen, ist einzigartig in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Damit dem willfährigen, in jeder Woche zu einem neuen Streich fähigen Diener kapitaler Interessen die Gunst des Publikums nicht ganz versagt bleibt, bekommt er immer wieder mediale Deckung, wenn er Idiotie zum Programm erhebt: „Wir müssen die Reformen noch energischer vorantreiben, damit Deutschland in Bewegung kommt.“ Dass der Patient Volkswirtschaft von einer Überdosis Kaufkraftentzug in die Knie gezwungen wird, wird entweder nicht begriffen oder billigend in Kauf genommen. Insgeheim wird sich so mancher Unternehmerfunktionär schon auf eine tiefe Rezession freuen. Spätestens dann könnte man dem verbliebenen Erbe des deutschen Sozialstaats den Todesstoß verpassen. Und der Mohr hätte seine Schuldigkeit getan.